Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich als Journalistin im chilenischen Patagonien unterwegs war, doch dieses Land hat mich nie wieder losgelassen. Windgepeitschte Fjorde, türkis schimmernde Seen, schneebedeckte Andengipfel und endlose Wälder prägen diese abgeschiedene Region im Süden Chiles. Hier verschmelzen Wasser, Fels und Himmel zu einem intensiven Schauspiel, das man nicht nur sieht, sondern spürt: am ganzen Körper und besonders im Herzen. Patagonien ist kein normales Reiseziel, es ist ein Gefühl von Weite und Freiheit.
Als ich überlegte, wo mein Protagonist Leo sein „Ende der Welt“ finden könnte, kam mir Patagonien sofort wieder in den Sinn. Beim Recherchieren und Schreiben durfte ich einmal mehr in diese wundervolle Region eintauchen. Ich hoffe, dass ich bei euch ein wenig das Fernweh mit diesem Roman wecke …

Leseprobe aus „Die kleine Ranch am Ende der Welt“:
Inzwischen ist es hell geworden, und ich stelle fest, dass die Bucht, in der Puerto Chacabuco liegt, viel schöner ist, als ich geahnt habe. Der zerklüftete Fjord ist von schneebedeckten Berggipfeln umgeben. Wasserfälle ergießen sich von den steilen Wänden der Canyons in die Tiefe. Seevögel fliegen pfeilschnell über die Oberfläche des Meeres. Die Stadt selbst wirkt klein – und wie ein vergessenes Kleinod am Rande der Welt. Genau das, was ich gesucht habe.
Puerto Chacabuco
Genau wie ich damals erreicht Leo das Ziel seiner langen Reise in Puerto Chacabuco.
Es ist der wichtigste Hafen der Aysén-Region und liegt malerisch eingebettet zwischen Bergen und Fjorden. Von hier aus starten Fähren und Expeditionsschiffe, die tief in die patagonischen Kanäle vordringen. In Puerto Chacabuco selbst geht es ruhig zu – perfekt, um durchzuatmen, lokale Meeresfrüchte zu probieren und die Aussicht zu genießen. Wer einkehren möchte, sollte nach kleinen Hosterías oder Estancias Ausschau halten. Dort wird oft hausgemacht gekocht, und der Rotwein kommt direkt aus dem chilenischen Central Valley.

Unterwegs nach Puerto Chacabuco!
Aysén – die wilde Seele des chilenischen Patagoniens
Von Puerto Chacabuco führte meine Reise in die Region Aysén. Sie ist eines der am dünnsten besiedelten Gebiete Chiles – ein Paradies für Naturfreunde. Hier dominieren Gletscher, Seen und Nationalparks. Es gibt unzählige Möglichkeiten zum Wandern: von leichten Spaziergängen durch uralten Regenwald bis zu anspruchsvollen Andenrouten. Besonders lohnend ist eine Tour im Cerro-Castillo-Nationalpark: türkisfarbene Lagunen, bizarre Felsformationen und ein atemberaubender Blick über die patagonische Bergwelt machen diesen Ort zu einem der schönsten Wandergebiete des Landes.

Als begeisterte Reiterin wollte ich das chilenische Patagonien natürlich zu Pferd kennenlernen und war dafür im Aysén-Gebiet genau richtig. Mit einer kleinen Gruppe war ich auf abgelegenen Pfaden, durch Flüsse und über weite Ebenen unterwegs. Dabei durchquerten wir leuchtende Lupinenfelder und ritten an Gruppen von Alpakas vorbei.
Leseprobe aus „Die kleine Ranch am Ende der Welt“:
Ein paar unserer Alpakas stehen auf einer Anhöhe rechts von uns. Ihre Silhouetten tauchen aus dem Dunst auf wie Geistergestalten. Roberto streckt die Hand aus und winkt ihnen zu. Wir reiten weiter, Schritt für Schritt hinein in den Morgen. Der Himmel beginnt sich zu färben – zuerst blassrosa, dann golden, bis die ersten Strahlen über die Kämme huschen.
Ich atme tief durch, der Duft von feuchter Erde, nassem Gras und welken Blättern liegt in der Luft. Roberto lehnt sich an mich, ganz still geworden. Vielleicht ist er einfach nur müde. Vielleicht spürt er aber auch, was ich spüre: dass dies einer jener Augenblicke ist, die man niemals vergisst.
„Das hier, mein Sohn“, flüstere ich, „das ist unsere Welt. Dein Großvater hätte dir alles gezeigt. Er wäre stolz gewesen, dich hier zu sehen. Im Sattel eines Pferdes.“


Die Region Aysén gilt aber auch als Geheimtipp für Fliegenfischer: Glasklare Flüsse wie der Río Aysén und der Río Simpson sind reich an Forellen und Lachsen. Viele Lodges bieten geführte Touren, Bootsausflüge und Kurse an.

Leseprobe aus „Die kleine Ranch am Ende der Welt“:
Wir stehen im glasklaren Wasser des Río Simpson. Die Saison der Fliegenfischer hat jetzt, Anfang November, gerade begonnen, und Diego ist in seinem Element. Seitdem ich ihn vor knapp drei Monaten kennengelernt habe, ist er mir noch nie so lebendig und glücklich vorgekommen wie jetzt mit der Angel in der Hand und Augen, die leuchten wie der smaragdgrüne Fluss zu unseren Füßen.
„Fliegenfischen lernt man nicht an einem Tag. Du musst das Gefühl dafür langsam entwickeln“, erklärt mir mein Chef und führt rhythmische Bewegungen mit der Rute aus, um die künstliche Fliege dann möglichst sanft auf der Wasseroberfläche landen zu lassen. So, als sei sie mal eben rein zufällig vom Himmel gefallen. Fliegenfischen sei nicht einfach nur ein Sport, sondern eine Mischung aus Technik, Achtsamkeit und Intuition, hat Diego mir erklärt.
Puerto Montt
In meinem Roman studiert Juli in Puerto Montt. Die Stadt liegt am Reloncaví-Fjord und ist das Eingangstor zur berühmten Carretera Austral – der legendären Straße, die tief in den Süden führt. Ein Spaziergang über den Markt Angelmo lohnt sich: Hier türmen sich Muscheln, Königskrabben, frischer Lachs und Meeresfrüchte aller Art. In den kleinen „Cocinerías“ kochen Einheimische traditionelle Gerichte. Besonders empfehlenswert ist der Curanto, ein deftiger Eintopf aus Meeresfrüchten, Fleisch und Kartoffeln, der ursprünglich auf heißen Steinen gegart wird. Wer mehr Zeit hat, kann von Puerto Montt aus mit der Fähre in Richtung Chiloé-Insel übersetzen – ein Abstecher in eine mystische Welt aus Holzkirchen, Nebel und Legenden.

Beste Reisezeit
Die ideale Reisezeit für das chilenische Patagonien ist zwischen November und März – der südamerikanische Sommer. In dieser Zeit sind die Tage lang, das Wetter vergleichsweise mild und die Hotels und Lodges haben geöffnet. Wer die Region in ihrer stillen, mystischen Stimmung erleben will, sollte im Frühherbst (März–April) reisen – wenn die Wälder in Rot- und Goldtönen leuchten und die Touristenströme abebben. Es ist jedoch immer ratsam, eine Regenjacke dabei zu haben, denn im chilenischen Patagonien regnet es oft.

Mein Fazit:
Im chilenischen Patagonien spürt man, wie klein der Mensch in dieser Landschaft ist – und wie lebendig die Natur. Es ist ein Ort für alle, die Stille suchen, Abenteuer lieben und im Rauschen des Windes ihre eigene Melodie hören möchten. Hier, am Ende der Welt, lernt man, dass Luxus manchmal nur das hier bedeutet: klare Luft, gutes Essen, ein Pferd unter sich – und den Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Anden.

Auf dem Rücken eines Criollos das chilenische Patagonien entdecken: unbezahlbar toll!
Alle Fotos: Susan de Winter
Hier geht’s direkt zu meinem Roman „Die kleine Ranch am Ende der Welt„.
Und hier erfahren Sie Reisetipps zum ersten Teil der Trilogie um Lilly und Leo: Garda.