„Nehmt auf jeden Fall genug Wasser mit“, hatte Jeff gesagt, bevor wir aufbrachen. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und blicke auf meine Wasserflasche. Sie ist fast leer. Das Thermometer in unserem Kleinbus zeigte fast 40 Grad Celsius, bevor wir zu unserer Wanderung durch die Grampians aufbrachen. Am Anfang hatten wir noch alle gelacht und geplaudert. Inzwischen marschierten wir schweigend über die steinigen Pfade, die sich durch die Wildnis schlängeln. Es geht stetig bergauf. Unseren Guide Jeff habe ich längst aus den Augen verloren. Aber ein paar Meter vor mir kraxeln Pierre und Juliette aus Paris zwischen bizarr geformten Felsen. Ab und zu kommt uns ein Wanderer entgegen. „Wie weit ist es noch?“, fragen wir atemlos. Ein vages Grinsen und ein hochgereckter Daumen sind die Antwort.
Emus streifen durch die Grampians
Die Hitze ist mörderisch, die Muskeln brennen. Wir schlüpfen unter mächtigen Felsen hindurch, um den Weg fortzusetzen. Endlich sind wir da, haben den Gipfel erklommen. Manch einer verspürt einen Kloß im Hals, als er sich umblickt. Ringsherum ergießt sich eine Sinfonie von Grün über Berge und Täler. Kein Haus, keine Straßen, nicht der leiseste Hauch von Zivilisation stört den Frieden der Natur.
Kängurus und Emus durchstreifen die Wälder, Papageien sitzen in den Bäumen. In der Ferne ruft ein Kookaburra. Nachts kommen die Sugar Gliders aus ihren Verstecken. Dann huschen die kleinen Gleitbeutler auf der Jagd nach Insekten die Baumstämme hinauf. Wir fühlen uns privilegiert, hier oben auf dem Berg zu stehen. Zusammen in unserer kleinen Gruppe und doch ein wenig verloren in der Weite der Welt.
Die Grampians: Magischer Ort der Aborigines
Einst waren die Aborigines die einzigen Menschen, die in den Grampians lebten. Für sie galt die Region als ein magischer Ort. Noch heute zeugen 4000 Felsmalereien von ihrem Leben, ihrem Glauben, ihren Geheimnissen. Während wir uns ausruhen und die Stille genießen, sehen wir sie im Geiste vor uns, wie sie sich des Nachts am Feuer die Geschichen ihrer Traumzeit erzählen.
Trail zum MacKenzie-Wasserfall
Nach einer Weile treten wir den Rückweg ins Tal an. Er kommt uns vor wie ein Kinderspiel. Nach einem Picknick im Schatten der Bäume wollen wir am Nachmittag noch zum MacKenzie-Wasserfall laufen. Diesmal führt der gut ausgebaute Trail auf fast ebener Strecke durch den Busch. Schon von weitem hören wir das Rauschen des Wassers. Es stürzt in mehreren Stufen in die Tiefe und fließt als Wildbach weiter durch den Wald. Immer wieder registrieren wir verkohlte Baumstümpfe zwischen üppigen, jungen Trieben. Anfang 2006 hatte ein Buschfeuer in Victoria mehr als 150.000 Hektar Land zerstört. Der größte Brand startete in den Grampians, fast 60.000 Schafe und Rinder starben. Inzwischen hat sich die Natur erholt, neue Pflanzen wachsen auf den Überresten des Brandes.
Die Grampians: Der perfekte Schauplatz für einen Roman
Bei den Wanderungen durch den fast 1700 Quadratkilometer großen Grampians Nationalpark kam mir die Idee zu meinem Roman „Das Geheimnis der Traumzeit„.
Es geht um Liebe, Abenteuer, Mut, Vertrauen und Verrat. Die Aborigines, die Ureinwohner Australiens, spielen eine wichtige Rolle. Australien-Fans, die den Grampions-Nationalpark auf ihrer Bucketlist haben, erwartet so einige Inspirationen für ihren eigenen Trip.
Jetzt lesen: Das Geheimnis der Traumzeit
Tipp: Wer in die Grampians fährt, sollte unbedingt das Brambuk Cultural Centre in Halls Gap besuchen. Es ist das Älteste seiner Art in ganz Australien und wird von Aborigines geführt. Schon die Architektur ist preisgekrönt. Das Dach ist der Silhouette eines fliegenden Kakadus nachempfunden. Er ist das Totem der lokalen Stämme und Namensgeber des Zentrums. Brambuk heißt „weißer Kakadu“. Im Inneren des Hauses lernen Besucher die Geschichte der Aborigines kennen. Wer möchte, kann sogar einen Boomerang bemalen und das Werfen üben. Ranger zeigen, von welchen Pflanzen, Wurzeln und Samen sich die Ureinwohner ernährten. Und im Bushfoods Café kann man exotische Speisen wie Känguru, Emu oder Krokodil probieren. Der Grampians Nationalpark liegt rund 250 km westlich von Melbourne. Es gibt Campingplätze und Lodges. Hier bekommt ihr weitere Infos.
Text & Fotos: Susan de Winter